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-- "Spa 1964" -- "Hahnes doppeltes Rennen" --"Rückschlag 1965" --

-- "Europapokal 1965" -- "Spa 1966" -- "Traumrunde auf dem Nürburgring" --

Der Tourenwagen-Europa-Pokal

Anfang 1964 erscheint BMW mit einem neuen Wagen auf den Rennpisten. dem „1800 TI“. Natürlich ist das nicht die Normalausführung, obwohl auch sie schon 110 PS hat und über

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Ein 1800TI in "schneller Fahrt" verfolgt von einem Alfa

170 km/h läuft und deshalb gleich „die Familienrakete“ heißt. Aber mit einer Familienrakete kann man inzwischen im Tourenwagensport keinen Blumentopf mehr gewinnen. Denn was da als „Tourenwagen“ herumfährt, das sind in Wirklichkeit richtige PS-Fabriken, mit Motoren, aus denen das Letzte an Reserven herausgekitzelt ist, und mit dicken Reifen - beinahe wie Rennreifen.
Sie sind mitunter auch schneller als die Rennwagen vor 10, 12 Jahren. Sie schlagen die „Gran-Tourismo“-Klassen und mit unter auch noch die „richtigen“ Sportwagen ...

Nein, der BMW-Renn-TI hat von Anfang an ungefähr 160 PS und läuft annähernd 220 km/h.  Er ist leichter gemacht und mit anderen Felgen und härteren Stoßdämpfern ausgestattet.

Das ist aber auch alles, was man am Fahrgestell verändern mußte, denn schon der „normale“ TI liegt wie ein Brett auf der Straße. Der Renn-TI fegt über die Pisten, als sei er angeklebt! Sein Erscheinen bringt den internationalen Tourenwagensport ganz schön auf Touren. Plötzlich wird jedem klar, daß 1964 eine ganz heiße Rennsaison bevorsteht.

Inzwischen haben auch die anderen Firmen nicht geschlafen. Man hat sich auf die Wirkung besonnen, die von Sporterfolgen ausgeht. Selbst Autofirmen, die vorher nicht gerade sportfreundlich waren, mischen jetzt mit, und die anderen, die „Sport“-Firmen, bleiben auch nicht gerade auf ihren Lorbeeren sitzen.

Ford geht ganz groß 'ran - und hat sich seinen englischen „Cortina“ bei Lotus ziemlich schnell machen lassen ... Mercedes hat seinen schnellen „300 SE" noch schneller gemacht. Lancia ist wieder da. Die Alfas haben ein paar neue Typen. Auch Jaguar ist da und Morris und sogar die amerikanischen Fords - aufs äußerste erleichterte Sport-Versionen mit unheimlich großen, über 500 PS starken 7-Liter-Motoren ...

Sie alle haben einen besonderen Grund, 1964 stark zu sein. Dies ist das erste Jahr, in dem der Europapokal für Tourenwagen ausgefahren wird, eine neue Konkurrenz, die für eine Marke eine enorme Bedeutung haben kann - wenn man darin Sieger wird, oder zumindest, wenn man darin ganz vorne liegt ...

Als die Rennsaison 1964 beginnt, ist man bei BMW ganz optimistisch. Für den „1800 Tl“ ist eine gute Mannschaft verpflichtet worden: für den Europapokal Walter Schneider, der ehemalige Motorrad-Weltmeister, der auf dem „700“ in den letzten Jahren gut herausgekommen war. Dazu als Partner für die Langstrecken- Rennen Hubert Hahne - der erfolgreichste „700“-Fahrer 1963. Dann noch Heinrich Eppelein, der BMW-Versuchsingenieur - er soll die Deutsche Bergmeisterschaft fahren. Außerdem ist noch Toni Fischhaber aus Bad Tölz da, der den EIva-BMW in der Europa-Bergmeisterschaft steuern soll, und vor allem Alex von Falkenhausen, Leiter des BMW-Versuchs und Rennleiter - und immer noch ein ausgezeichneter Rennfahrer.

Der „Probegalopp“ mit dem „Tl“ verläuft zufriedenstellend: Am 12. April gewinnt Eppelein mit dem 1800 TI den ADAC-Bergpreis Bad Neuenahr - den 1. Lauf zur Deutschen Bergmeisterschaft.

Eine Woche darauf fährt Alex von Falkenhausen den 1800 TI selbst - beim Internationalen Bergrennen in Ebersbach. Er siegt unangefochten ...

Auch der Start zum Europapokal ist erfolgreich: am 11. Mai gewinnt Walter Schneider die 2000er Klasse beim Internationalen Pokalrennen von Zolder in Belgien überlegen und erhält dafür 7 Wertungspunkte gutgeschrieben.

Allerdings sind in Zolder die schärfsten BMW-Konkurrenten ebenfalls erfolgreich: Eugen Böhringer, Stuttgart, gewinnt auf Mercedes 300 SE seine Klasse, und in der 1600er Klasse siegt Sir John Whitmore, England, auf einem Lotus-Cortina.

Am 6. Juni fahren Schneider/Hahne das 6-Stunden-Rennen von Brands Hatch bei London. Es zählt für den Europapokal, und diesmal ist die Konkurrenz überwältigend. Aber wieder hält sich der BMW gut - diesmal ist er sogar in der Gesamtwertung ganz vorne, liegt zuerst stundenlang auf dem 2. Platz, dann, wieder über eine Stunde, auf dem 3. Platz. Aber dann muß er stoppen: Kupplungsschaden. Aus!

Acht Tage darauf ist wieder ein Europapokal-Lauf, diesmal in Frankreich- das Bergrennen am Mont Ventoux in der Provence, und diesmal scheint BMW schon aus dem Rennen ausgeschieden zu sein ...

Bei dem Versuch, die Scharte von Brands Hatch auszuwetzen, fährt Schneider etwas zu schnell in eine Kurve - und plötzlich ist alles aus. Er fliegt hinaus, über den Straßenrand - und stürzt 150 Meter tief in den Abgrund ...

Sieger in der 2000er Klasse wird ein Lancia-Zagato. Und wieder gewinnt Böhringer überlegen seine Klasse. Es ist ein schwacher Trost, daß Whitmore kurz vor dem Ziel mit Getriebeschaden liegen bleibt; trotzdem gewinnt ein Lotus-Cortina.

Außerdem hat Böhringer jetzt schon 21 Punkte ...

Bei BMW überlegt man nicht lange. Zwar ist Schneider vorläufig ausgefallen, zwar ist sein TI nur noch Schrott, aber da ist ja noch jemand: Am selben Tag, an dem Schneider verunglückte, hat sein Co-Equipier von Brands Hatch, Hubert Hahne, im Flugplatzrennen von Mainz-Finthen spektakulär gewonnen. Er gewann, obwohl ihm gleich nach dem Start der Schalthebel abbrach und er das Rennen mit einem einzigen Gang zu Ende fahren musste; er konnte eben nicht mehr schalten. Was er dann aber mit diesem 3. Gang machte, riß die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin: Er ließ den Wagen durch die Kurven schleudern, fuhr manchmal nur auf zwei Rädern ... Aber er gewann. Er zeigte, was in dem „Tl“ für Reserven steckten. Er gewann nachher noch ein offiziell kontrolliertes „Privat-Rennen“ gegen den Jaguar-Spitzenfahrer, den schnellen Peter Lindner - mit 1,8 Liter gegen 3,8!

Zwei Tage darauf ist Hahne am Ring - zum Training für die „6 Stunden vom Nürburgring“, sein erstes Europapokal-Rennen als Nummer 1. Diesmal fährt er mit Fischhaber, Tölz, zusammen.

Im Training sind sie noch ziemlich langsam. Sie fahren 10.51 Minuten - das ist keine gute Zeit. Sie sind damit deutlich hinter dem Lancia von Crosina, der 10.42 fährt, und sie bleiben weit über der Zeit von Böhringer, der mit dem Werks-Mercedes eine neue Rekordrunde fährt: 10.20,9 Minuten - eine unglaubliche Zeit. Allerdings ist sie nicht „offiziell“, denn als Rundenrekorde werden ja nur die im Rennen gefahrenen Zeiten gewertet. Immerhin ist er eine halbe Minute schneller als der BMW! Auch Sir John Whitmore ist schneller. Ein, zwei andere Lotus-Cortina, ein „privater“ Mercedes und sogar der riesige Ford-Galaxie bleiben unter 10.40 Minuten ...

Im Rennen ist Hubert Hahne plötzlich mitten in der Spitzengruppe. Es scheint so, als habe er die Konkurrenten geblufft. Aber er mischt nur zwei, drei Runden vorne mit; nach der 3. Runde rollt er langsam an die Boxen, als die Spitze schon längst im Hatzenbach verschwunden ist. Er springt heraus ...

„Hinterachsschaden! Hinten kracht es fürchterlich. Im Brünnchen gab es einen Knall“, schreit er. Das bedeutet wahrscheinlich das Ende des Rennens.

Es ist nicht ganz das Ende und auch kein schwerer Schaden. Nur ein „Silentblock“ hat sich gelöst und ist davongeflogen. Es ist nichts Ernstes, aber die Reparatur dauert doch 12½ Minuten! Als Hahne wieder auf die Strecke geht, ist die Spitze eineinhalb Runden vorne, und Hahne/Fischhaber liegen an letzter Stelle des Feldes. Vorne fährt Böhringer, dessen neuer Rundenrekord gerade über den Lautsprecher durchgesagt wird, als Hahne einsteigt: 10.29,2 Minuten.

Dann geht Hahne auf die Verfolgungsjagd. Es scheint aussichtslos, aber immerhin sind ja 6 Stunden zu fahren, und in sechs Stunden kann noch viel passieren - jetzt, nach etwas über einer halben Stunde, sind ja schon sechs, sieben Fahrzeuge ausgefallen.

Nach einer Stunde führen Böhringer/Glemser mit weitem Vorsprung vor Crosina auf Lancia, Whitmore und Taylor auf Cortina-Lotus und Schiek/Kling auf Mercedes. Hahne/Fischhaber sind immer noch letzte, aber sie holen auf.

Nach der Hälfte des Rennens liegen sie nur noch mit knapp über drei Minuten Rückstand auf dem 4. Platz in ihrer Klasse. Dann steigert sich Hahne auf eine Rundenzeit von 10.30,2 - und arbeitet sich damit auf den 17. Platz im Gesamtklassement vor.

Inzwischen sind nur noch 62 von den ursprünglich 87 Startern im Rennen ...

Nach vier Stunden liegen Hahne/Fischhaber an 13. Stelle im Gesamtklassement. In ihrer Klasse sind sie jetzt Zweite.

Nach fünf Stunden liegen Hahne/Fischhaber in ihrer Klasse an 1. Stelle! Auch im Gesamtklassement haben sie sich weiter vorgearbeitet: auf Platz 11. Vorne fahren immer noch Böhringer/Glemser unangefochten an der Spitze, auch wenn inzwischen der 7-Liter-Ford mit 10.20,7 Minuten eine neue Rekordrunde fährt. Eine unglaubliche Zeit für diesen schweren Wagen ...

Nach 6 Stunden wird Eugen Böhringer als Sieger abgewinkt. Eine Runde dahinter folgen die beiden Lotus-Cortina von Sir John Whitmore und Taylor, dicht dahinter der zweite Mercedes von Schiek/Kling, dann die beiden Morris-Cooper-S von Broas/Hadley und Vernoeve/Fitzpatrick und, nur um Sekunden hinter den beiden Cooper liegend, erscheint als Siebenter der BMW von Hahne/Fischhaber ...

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Sofort rechnet jemand aus, daß er aus der nächsten Runde als Fünfter zurückgekommen wäre, jemand anders rechnet sogar aus, daß er 2. im Gesamtklassement geworden wäre - ohne die 12½ Minuten Hinterachsenreparatur. Aber das ist natürlich alles nur Theorie. Hubert Hahne hat nicht enttäuscht. Er hat ein paar sehr schnelle Runden gefahren,

Kein Unfall, sondern Hahnes Fahrstil

hat den Löwenanteil an der Aufholjagd geleistet - und für BMW wertvolle Punkte für die Europapokal-Wertung geholt.

Eine Woche später steht Hubert Hahne wieder am Start, diesmal auf der Avus. Wieder ist er erfolgreich - sogar im Gesamtklassement! Er siegt überlegen vor dem schnellen Alfa von Herbert Schultze, und damit liegt er in der „Deutschen“ weiter an der Spitze ...

Am 12. Juli ist Hahne schon wieder dabei. Das „12-Stunden- Rennen vom Nürburgring“ ist zwar „nur“ ein Lauf für die „Deutsche“, aber es ist sehr wichtig. Diesmal fährt Hahne mit Eppelein zusammen, und diesmal gibt es für das BMW-Team keinen Gegner. Sie gewinnen das Gesamtklassement mit 2 Runden Vorsprung. Eugen Böhringer ist jedoch nicht unter den Gegnern; er steht an der Strecke und studiert seinen Gegner - denselben Hahne, gegen den er in zwei Wochen im größten Tourenwagensport-Ereignis der Saison fahren muß: in den „24 Stunden von Spa“.

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"Spa 1964"

Diese „24 Stunden“ werden ein Rennen, von dem man noch lange sprechen wird. - Hahne hat einen neuen Partner bekommen, den Finnen Aaltonen, den mehrmaligen Monte-Carlo-Sieger und Rallye-Europameister, einen glänzenden Langstreckenfahrer, mit ausgezeichneten Nerven.

Die „24 Stunden von Spa“ erfordern gute Nerven - genau wie die „24 Stunden von Le Mans". Die beiden Langstreckenrennen gleichen einander nicht nur in der Dauer. Auch in Spa wird von Samstag um 16 Uhr bis zum Sonntag um 16 Uhr gefahren, und auch in Spa gibt es nur 55 Starter. Die Strecke ist schnell, fast so schnell wie in Le Mans, dafür aber womöglich noch gefährlicher. Alles in allem haben die „24 Stunden von Spa“ ihren Namen zu Recht: Das „Le Mans der Tourenwagen“.

Vom Start weg schießen zwei Citroen nach vorne - vorbei an dem Mercedes von Böhringer/Glemser, dem Lancia von Harris/Ickx und dem BMW von Hahne/Aaltonen. Aber schon aus der ersten Runde kommt Böhringer als Erster heraus, gefolgt von Sir John Whitmore auf dem Cortina-Lotus. Der BMW liegt an 4. Stelle. Dann wird die Stimme des Strecken-Lautsprechers ernst: in der „Masta“-Kurve haben zwei Lancias kollidiert. Der eine hat einen Leitungsmast umgefahren, gegen den ein Volvo knallte. Zwei Schwerverletzte, drei ausgefallene Wagen!

Nach einer Stunde liegen Whitmore/Gardner vorne - vor Böhringer/Glemser und Hahne/Aaltonen.

Nach 2 Stunden haben Böhringer/Glemser sich von ihren Konkurrenten gelöst. Der schwere Mercedes mit seiner 3-Liter-Maschine liegt eine Runde vor den beiden Kampfhähnen hinter ihm. Jetzt raufen sich Hahne und Whitmore um den 2. Platz! Bei BMW haben die Fahrer gewechselt, und jetzt schiebt sich der BMW mit Hahne am Steuer weiter nach vorne. Dann fährt Whitmore eine Rekordrunde - mit fast 177 km/h - und muß kurz danach an die Boxen. Bremsenschaden! Aus für Sir John! Dafür kommt ein weiterer Mercedes auf ...

Nach 4 Stunden führen Böhringer/Glemser immer noch mit einer Runde Vorsprung. Dahinter liegt jetzt der zweite Mercedes von Crevits/Gosselin. Die belgische Equipe ist auf ihrer" Strecke natürlich wie zu Hause. - Dann beginnt die Nacht.

Nach 8 Stunden führen weiter Böhringer/Glemser mit mehr als Rundenabstand. Ihr Vorsprung hat sich noch etwas vergrößert. Dahinter liegen jetzt Taylor/Harper auf Lotus-Cortina, Crevits/Gosselin, auf dem 4. Platz folgen Hahne/Aaltonen.

Knapp nach Mitternacht gibt es einen Zwischenfall. Der Lancia von Ickx/Harris fährt an die Boxen und hält. Der Fahrer steigt aus und stützt den Kopf in die Hände. Es sieht aus, als ob er weint. Dann kommt die Nachricht von der Strecke: der andere Lancia, der noch im Rennen war, ist bei Malmédy hinausgeflogen, der Fahrer, einer der beiden Gebrüder Frescobalde, ist tot. Damit sind drei der vier Lancias verunglückt! Der vierte gibt entsetzt auf ...

Kurz danach kommt Böhringer an die Boxen. Er hält, springt heraus, und dann setzt vor der Mercedes-Box eine fieberhafte Tätigkeit ein, während das Feld ein-, zwei-, dreimal vorüberfährt; die Benzineinspritzung ist defekt. In Rekordzeit wechseln die Mechaniker die Einspritzpumpe aus. Nach 17 Minuten ist Böhringer wieder im Rennen.

Zwei Stunden nach Mitternacht liegen Hahne/Aaltonen vorne: Der zweite Mercedes ist an der Box, der Lotus-Cortina ist ausgefallen. Aber dann kommt der Mercedes gleich wieder. Es ist nichts; nur Fahrerwechsel und Bremsen nachsehen - das war alles. Hahne/Aaltonen bleiben weiter vorne, dahinter fährt Böhringer eine Rekordrunde, schraubt den Rundenrekord auf über 177 km/h und findet Anschluß ...

Um 4 Uhr früh ist Böhringer erneut vorne. Hahne/Aaltonen müssen zum Auftanken an die Box, machen Reifenwechsel, sind aber wieder im Rennen, als Böhringer gerade an den Tribünen vorüberzischt.

Im Morgengrauen gibt es einen aufregenden Kampf. Vorne liegt der schwere Mercedes von Böhringer/Glemser, dicht dahinter der schlanke BMW von Aaltonen/Hahne, 2 Minuten dahinter der zweite Mercedes, der allmählich zurückfällt.

Nach 16 Stunden liegen die beiden immer noch gleichauf. Runde auf Runde jagt der BMW den schnellen Mercedes, Hahne fährt jetzt das Rennen seines Lebens! Auf drei, manchmal auf zwei Rädern fegt er um die Kurven, holt in jeder Kurve ein paar Zehntelsekunden heraus, kommt immer wieder heran, denn auf der Geraden ist der Mercedes ja viel schneller. Einmal fliegt Hahne heraus, dreht sich, schlägt einen Kreis - und kommt wieder herein, jagt weiter, immer weiter. Nach 20 Stunden haben Böhringer/Glemser wieder eine Runde Vorsprung herausgefahren. Der BMW wird langsamer, die Fahrer haben jetzt Schwierigkeiten mit der Steuerung - und dann muß Aaltonen an die Boxen: vorne links stimmt etwas nicht. Das linke Vorderrad flattert, er kann den Wagen kaum noch halten.

Man sieht nach - und dann ist alles zu Ende. Die Radlager sind defekt, die Vorderradnabe hat einen Schlag abbekommen. Vorne ist alles kaputt, die Bremsscheiben sind fast rotglühend vor Überbeanspruchung ...

Jetzt kommt die große Stunde der BMW-Monteure! Mit bloßen Händen reißen sie die Bremsscheiben ab, montieren in fliegender Hast neue Achsnaben und neue Bremsscheiben. Nach kaum 15 Minuten ist Hahne wieder auf der Piste! Aber mehr als drei Runden sind verloren. Jetzt ist nicht nur Böhringer unerreichbar weit weg; auch der zweite Mercedes ist fast zwei Runden voraus!  

Eine Stunde vor Schluß des Rennens scheint alles entschieden: Vorne liegt ungefährdet der Mercedes von Böhringer/Glemser, drei Runden zurück folgt der zweite Mercedes mit den Belgiern Crevits/Gosselin, wieder eine Runde dahinter der BMW mit Hahne/Aaltonen. 

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Zandvoort 1965, bei dem spekta- kulklären Duell mit dem Belgier Ickx, ist Hahnes linker Schein- werfer bereits in die Brüche gegangen

Hahne sitzt jetzt wieder am Steuer und versucht aufzuholen. Dann bekommt er jedoch das Zeichen von der Boxe: Langsam, es hat keinen Sinn! Du gefährdest nur den Klassensieg, die wertvollen Europapokal-Punkte ...

Auf einmal passiert es: Hahne sieht vor sich einen Mercedes, der ganz langsam fährt. Es ist die Nr. 200, Böhringer! Mühselig schleppt er sich auf die Boxen zu ...

Als Hahne in der nächsten Runde vorbeifährt, steht der Mercedes immer noch an den Boxen. Mechaniker wimmeln um ihn herum, man montiert fieberhaft, Fotografen stehen neben dem Wagen und „schießen“ ein Bild nach dem andern. Rennkommissare sind auch da. Irgend etwas muß los. sein.

In der nächsten Runde bemerkt Hahne noch immer das gleiche Bild, auch in der übernächsten ...

Jetzt dreht Hahne auf. Vielleicht gelingt es doch noch, den belgischen Mercedes einzuholen! Vorhin, beim letzten Wechsel, hat er gehört, daß der Mercedes Schaltschwierigkeiten hat. Vielleicht bekommt er ihn noch. Europapokal-Punkte sind ja ganz schön, aber er möchte dieses Rennen mit dem 1,8-Liter-BMW gegen die 3-Liter-Mercedes gewinnen. Er möchte die Chance ausnützen: das Rennglück oder vielmehr das Rennpech Böhringers, der immer noch an der Boxe steht, jetzt hinter ihm liegt und vielleicht aufgeben muß.

Hahne schafft es nicht mehr ganz. Knapp hinter der Nr. 102 von Crevits/Gosselin geht die Nr. 204 mit Hahne/Aaltonen durchs Ziel. Böhringer hatte ebenfalls einen Defekt an der Vorderradaufhängung. Die Achse wurde ebenfalls in Rekordzeit ausgebaut. Erst dann wurde bemerkt, daß die Reserveachse ein paar Kilometer entfernt im Depot lag! Im letzten Moment hatte man aus einem ausgefallenen Mercedes die Achse aus- und in Böhringers Mercedes eingebaut. Als er wieder auf die Piste gehen wollte, schritten jedoch die Rennkommissare ein. Der Umbau war nach dem Reglement verboten! Nur an der Box vorrätige Ersatzteile durften benutzt werden! Das war das „Aus“ für Böhringer, für den Führenden während 23½ Stunden der 24 Stunden von Spa ...

Trotzdem werden die „24 Stunden von Spa“ zu einem großen Erfolg für die deutschen Automarken. Erster ein Mercedes, Zweiter ein BMW. Und den belgischen „Königspokal“, den Teampreis der „24 Stunden“, gewinnt auch noch eine deutsche Equipe: die „Glas“-Mannschaft aus Dingolfing - die von ihrem Glück zunächst gar nichts weiß und von ihrem Erfolg vollkommen überrascht wird. Die Fahrer hatten keine Ahnung, wie gut sie im Rennen lagen. Die drei „Glas“ zogen 24 Stunden lang brav und ganz hübsch schnell ihre Runden, ohne groß aufzufallen. Sie sind überrascht, als sie den Königspokal erhalten - vor den Alfas, die doch Dritter, Vierter und Fünfter im Gesamtklassement geworden sind. Aber von acht Alfas sind nur vier angekommen, dagegen von drei Glas alle drei.

Die „Schlacht von Spa“ wird zu einem Riesenerfolg für BMW.

Die Bilder vom Rad-an-Rad-Rennen gegen den großen Mercedes gehen um die Welt, und auf einmal nimmt jeder den neuen „TI“ für voll. Wenn er die 24 Stunden so gut durchhält, wenn der 1,8-Liter-BMW dem sieggewohnten 3-Liter-Mercedes beinahe die Schau stiehlt, muß er schon ein hervorragendes Fahrzeug sein!

Schließlich sprechen noch die Zahlen für ihn - 24 Stunden mit 164,4 km/h Durchschnitt - einschließlich der Pausen für Tanken, Reifenwechsel und Reparaturen! Damit blieben sie nur um 0,4 km/h hinter den Siegern, liegen aber volle 7 km/h vor den Dritten, Galimberti/Facchetti, Italien, auf Alfa Romeo.

Der Europapokal ist jetzt wieder völlig offen ...

Schon eine Woche später beginnt für Hubert Hahne das nächste Rennen: Eine halbe Stunde, nachdem John Surtees auf Ferrari den „Großen Preis von Deutschland“ gewonnen hat, starten die Tourenwagen zu ihrem Meisterschaftslauf um die „Deutsche“...

Diesmal ist Hahne der Favorit des Rennens: im Training ist er 10.21,5 Minuten gefahren, die weitaus schnellste Zeit!

Vom Start weg setzt sich Hahne an die Spitze, um sie während der 5 Runden nicht mehr abzugeben. Ganz überlegen siegt er in 52.37,7 - fast eineinhalb Minuten vor dem Zweiten, Schiek/Mercedes in 54.03,4 Minuten. Außerdem hat er einen neuen Rundenrekord für Tourenwagen gefahren- 131,4 gegen die 131,1, die Böhringer/Glemser bei den „6 Stunden“ aufstellten.

Damit liegt Hahne in der „Deutschen“ weiter in Führung. Auch im Europapokal arbeitet er sich vorwärts ...

Am 23. August gewinnt er das Bergrennen in St. Ursanne in der Schweiz. Jetzt hat er bereits den 3. Wertungslauf im Europapokal gewonnen!

Acht Tage darauf ist wieder ein Rundstreckenrennen fällig: in Zandvoort, Holland. Auch hier geht es um Punkte für die Europameisterschaft.

Alle sind am Start, die sich noch Siegerchancen in der Wertung ausrechnen, nur Böhringer fehlt. Nach Spa und dem letzten Nürburgringrennen ist es klar, daß die anderen schneller sind, daß die Mercedes gegen die schnellen Lotus und BMW keine Chance mehr haben - sofern die ankommen. Deshalb hält sich Mercedes zurück. Entweder reicht Böhringers Punktkonto schon für den Sieg - oder eben nicht. Eine Niederlage nach der anderen will man jedoch nicht riskieren.

Von Anfang an jagen sich Hubert Hahne, Sir John Whitmore und Jacky Ickx. Die drei fahren ein Rennen, daß den Zuschauern die Luft wegbleibt! Nur Zentimeter trennen die drei manchmal in den Kurven. Vor allem Hahne legt ein Rennen hin, daß die Leute ihm nur so zu jubeln. Zwar fährt Sir John diesmal die schnellste Runde - aber Hubert Hahne auf BMW wird Tagessieger - vor Crosina auf Lancia-Flavia, Sir John Whitmore und Jacky Ickx ...

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Hahnes „doppeltes“ Rennen

Am Wochenende vom 12. zum 13. September 1964 ist Hahne in einer richtigen Zwickmühle. Am 13. September ist in Wunstorf bei Hannover ein Flugplatz-Rundstreckenrennen, das zur Deutschen Meisterschaft zählt. Bisher hat Hahne siebenmal gesiegt. Wenn er auch in Wunstorf seinen Lauf gewinnt, ist er nicht mehr einzuholen.

Am selben Wochenende - ebenfalls am 13. September - wird aber auch das Bergrennen am Timmelsjoch in Österreich veranstaltet, das für die Europapokal-Wertung gilt. Wenn er dort nicht mitmacht, ist er hoffnungslos abgeschlagen! Immer noch liegen Sir John Whitmore, Böhringer und der Engländer Banks auf Cooper vor ihm, und er darf keine Startmöglichkeit verschenken, will er noch mitreden ...

Hahne studiert den Terminkalender, die Startzeiten - und hat plötzlich den Einfall des Jahres. „Ich kann beides mitmachen, wenn ich zwei Wagen bekomme!“ sagt er zu Alex von Falkenhausen.

Der lächelt. Das hat er sich auch ausgerechnet. „Und zwar?“ fragt er. Er weiß nämlich, daß es nicht geht.

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„Ich könnte am Freitag in Österreich trainieren, dann nach München fahren und von dort nach Hannover fliegen, am Samstag in Wunstorf trainieren, am Sonntag dort fahren, und ich käme gerade noch zum Start am Timmelsjoch zurecht, wenn ich sofort nach dem Rennen abfliegen würde ...“  

„Wie wollen Sie das machen? Soviel ich weiß, gibt es von Hannover nach Innsbruck keine Flugverbindung. Ganz abgesehen davon brauchen Sie von Innsbruck zum Timmelsjoch noch gut und gerne eine Stunde!“

BMW 1800TI:
Solche Wagen tauchten in zahlreichen Flugplatz- rennen auf

Hahne lacht. „Doch, es geht! Ich habe mit Schlüter gesprochen. Er fährt mich hin. Und sonst? Es geht - mit einer Chartermaschine.“

Falkenhausen zieht die Stirne kraus. „Na schön; einen zweiten Wagen kriegen Sie. Und das mit der Chartermaschine ist auch zu machen, glaube ich. Hoffentlich geht sonst alles glatt, denn wenn wir die Trainingsrunden nicht zusammenhaben ...“

Ganz wohl scheint ihm bei der Geschichte nicht zu sein.

Das Wochenende wird für Hahne ziemlich turbulent. Am Freitag trainiert er am Timmelsjoch mit dem „Bergwagen“. Abends fährt er mit Walter Schlüter zurück nach München. Sie kommen gerade noch rechtzeitig am Flugplatz an.

„Nervös?“ fragt Schlüter.

„Nein, kein bißchen!“

Aber er scheint doch nervös oder zumindest zerstreut zu sein. Als die Maschine schon startklar ist, ruft die Stewardeß ihn aus: „Würde Herr Hahne so freundlich sein und Herrn Schlüter die Autoschlüssel zurückgeben? Herr Schlüter kann nicht wegfahren ...“ Hahne greift in die Tasche. Tatsächlich, da sind die Schlüssel ...

Samstag früh ist Training in Wunstorf. Hahne fährt seine Pflichtrunden, dann noch ein paar Trainingsrunden - und auf einmal passiert es ...

In voller Fahrt touchiert er einen anderen BMW. Dann überschlägt sich Hahnes Wagen ...

Als er herausspringt, scheint alles aus zu sein. Der „Tl“ ist stark beschädigt. So kann er unmöglich das Rennen mitfahren! Nach dem Reglement muß der Fahrer jedoch mit dem Wagen starten, auf dem er das Training absolviert hat ...

Die BMW-Rennmannschaft macht das Unmögliche möglich: Die Monteure arbeiten die Nacht durch, und am Sonntagmorgen steht Hahnes BMW am Start. Nicht gerade märchenhaft schön schaut der BMW aus, aber er ist sogar frisch gespritzt.

Hahne startet - und gewinnt überlegen. Er gewinnt sogar das Gesamtklassement ...

Damit ist er „Deutscher Automobil-Rundstreckenmeister 1964“ geworden, aber zum Feiern bleibt ihm keine Zeit. Sofort nach dem Sieg springt er in ein Auto. In rasender Fahrt geht es zum Flughafen Hannover.

Dort wartet schon eine Cessna auf ihn, die Maschine von Hardy Krüger, mit der er seine Afrika-Flüge machte. Hahne steigt ein, der Motor wird angeworfen, die kleine Maschine rollt auf die Startbahn zu ...

Erst in der Luft kommt Hahne wieder richtig zu sich. Er wird ganz ruhig und genießt den Flug. Er ist ja selbst Flieger und hat einen Pilotenschein. Er entspannt sich, dann übernimmt er selbst den Steuerknüppel.

Der Spessart zieht unter ihnen vorüber, sie überfliegen den Main. Ruhig liegt das Maschinchen in der Luft, gleichmäßig dröhnt der Motor. Da vorne sind schon die Alpen zu sehen, noch weit entfernt. Jetzt übernimmt der Pilot wieder das Steuer.

Als die Maschine auf dem Flughafen Innsbruck landet, wartet Schlüter bereits wie auf Kohlen. Der Verkehr heute ist schlimm, das hat er schon bei der Herfahrt gemerkt.

Kaum ist Hahne eingestiegen, fährt Schlüter los. Es wird eine Fahrt auf Biegen und Brechen! Der Rallye-Europameister fährt, was 'rausgeht, ohne mit den Verkehrsvorschriften in Konflikt zu kommen, und für Hahne ist es doch etwas anderes, daneben zu sitzen, als selbst das Steuer in der Hand zu haben.

Ötz, Sölden - noch 10 Kilometer bis zum Start. Plötzlich ist es aus: Verkehrsstockung! Natürlich, das Bergrennen! Dazu der Sonntagsverkehr und der schöne Tag.

Auf einmal ist ein Polizeiwagen da, lotst sie durch und winkt sie weiter, als die Stockung überwunden ist. Auf den letzten paar Kilometern der schnellen, breiten Bergstraße holt Schlüter alles aus seiner „Familienrakete“ heraus. Dann sind sie da.

Eine halbe Minute vor seiner Startzeit sitzt Hahne in seinem TI, schnallt sich den Sturzhelm fest, noch 20 Sekunden, noch 10 Sekunden, noch 5 ...

Plötzlich hebt der Starter die Flagge, winkt ab. Etwas ist dazwischengekommen. Der Start wird noch nicht freigegeben!

Hahne wartet. Eine Minute vergeht, zwei, drei. Immer noch steht er am Start und wartet. Dann kommt die Nachricht durch: Crosina, sein schärfster Konkurrent, ist von der Strecke abgekommen, der Wagen hat sich überschlagen und ist völlig kaputt. Crosina ist zum Glück fast unverletzt herausgekommen.

Jetzt kann Hahne aufatmen. Nun braucht er nur noch oben anzukommen. Die anderen Konkurrenten in seiner Klasse sind ungefährlich ...

Er lacht, als sich die Startflagge senkt, dann donnert der TI los ...

Hahne fährt ganz sicher in die Kurven und jagt die Serpentinen hoch, ohne etwas zu verschenken. Aber er holt nicht das Letzte aus dem Wagen heraus, sondern fährt beinahe vorsichtig.

Noch drei Kilometer ... Plötzlich tut es einen Schlag, etwas knallt, der Wagen zieht jäh nach rechts und will ausbrechen. Hahne steuert gegen und zwingt den BMW in die Kurve. Wieder fängt das Steuer heftig an zu flattern, wieder zieht der Wagen stark nach rechts - dann ist er durch die Kurve.

Der Wagen richtet sich wieder auf, fährt geradeaus, ist aber noch immer „schwammig“ in der Lenkung, fühlt sich vorne „weich“ an und ist kaum in der Spur zu halten. Jetzt will er wieder nach rechts ausbrechen ...

Hahne weiß, was geschehen ist: Der rechte Vorderreifen muß geplatzt sein! Das waren der Schlag und der Knall. jetzt fährt er nur noch auf drei Reifen!

Er überlegt fieberhaft, während er weiter den Berg hinaufjagt. Geradeaus geht es einigermaßen, dann kommen da zwei, drei Rechtskurven. Die sind harmlos, bei denen ist der rechte Vorderreifen sowieso kaum auf der Straße, wenn er voll durchfährt. Die letzte Linkskurve vor dem Ziel muß er eben ganz vorsichtig nehmen. Dann müßte es eigentlich trotzdem reichen.

Jetzt kommen die beiden Rechtskurven: durch! Der Wagen tanzt ganz leicht, Hahne fängt ihn ab und zwingt ihn vorsichtig wieder in die Gerade. Dort oben ist schon das Ziel. jetzt kommt noch die spitze Linkskurve vor dem Ziel. Wenn bloß nichts mehr passiert!

Plötzlich reißt es ihm das Steuer aus der Hand. Er will zurücklenken ...

Aus, es geht nicht mehr! Der Wagen zieht jetzt, wie von Riesenkräften gezwungen, nach rechts, kommt von der Strecke ab, fährt die Böschung hoch - und steht.

Pech! Als Hahne aussteigt, kommen die Leute auf ihn zugelaufen - schreiend, winkend. Sie können nicht verstehen, warum er nicht weiterfahrt. Es sind ja nur noch ein paar Meter bis zum Ziel! Sie können auch nicht begreifen, warum er aus der Kurve geflogen ist. Er war doch gar nicht schnell? Im Gegenteil, er fuhr geradezu enttäuschend langsam durch die Kurve.

Dann sehen sie es. Der Reifen ist endgültig von der Felge gerutscht, hat sich um die Spurstange gewickelt und die Lenkung blockiert. Hahne hat unglaubliches Glück gehabt, daß er die Böschung hinaufgefahren ist und nicht in den Abgrund hinunter!

Aber er ist aus dem Rennen. Aus! Aus der Traum vom Sieg am Timmelsjoch, aus der Traum von der Europameisterschaft.

Es ist wirklich Pech. Später erfährt er, daß er bis zu dieser letzten Kurve in Bestzeit gefahren ist und nicht nur seine Klasse gewonnen hätte, wenn ...

Eben. Hätte - wenn! Das ist es. Hahne lacht. „An einem Dreizehnten soll man eben nicht zwei Rennen fahren“, sagt er.

Am nächsten Sonntag fährt der frischgebackene „Deutsche Rundstreckenmeister“ doch wieder mit, auch wenn er nicht mehr „im Rennen“ ist.

In Budapest wird der Große Tourenwagenpreis von Budapest ausgefahren. Letztes Jahr hat Hahne hier gewonnen - mit dem „700“. Jetzt fährt er natürlich wieder mit - diesmal mit dem 1800 TI ...

Es ist der letzte Lauf zum Europapokal - und natürlich ist alles wieder da. Im Training zeigt sich, wie schnell die Strecke heuer ist - und wie gefährlich. Die Gefahr kommt jedoch nicht allein von der Piste ...

Schon beim Training stehen die Rennsport-Freunde dicht an der Piste und weichen nicht einen Zentimeter zurück wenn ihnen die schweren Wagen gefährlich nahe kommen. Im Rennen ist es noch schlimmer.

Dicht an dicht stehen die Zuschauer längs der Piste. Hahne überläuft es eiskalt, als er die Menschenmauern sieht. Voriges Jahr ging es noch. Die 700er waren leichter und nicht so schnell. Da konnte man nicht so driften wie jetzt. Hoffentlich wissen das auch die Zuschauer!

Sie wissen es nicht. Als die Startflagge fällt, rücken sie womöglich noch näher an die Piste. Nur um Zentimeter stehen sie jetzt von der Asphaltstrecke entfernt, drücken gegen die Absperrungen, wollen mehr sehen von den rasenden Tourenwagen, die so unheimlich schnell auf sie zujagen und so gefährlich querstehend durch die Kurven driften. Das haben sie noch nicht gesehen - das regt sie an, diese heißblütigen Ungarn.

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Hubert Hahne fährt "unmöglich", steht "quer" - und wird doch zweimal, 1964 und 1966, Tourenwagen- Europameister!

Jedesmal scheint die jubelnde Menschenmauer ein paar Zentimeter näher gekommen zu sein, wenn Hahne durch die Kurven jagt. Er hat es eilig. Er hat wieder einmal gegen Whitmore zu kämpfen und gibt immer noch etwas zu, fährt eine schnelle Runde nach der anderen, bricht fast jede Runde den Rundenrekord.

Dann passiert es. Hahne kommt mit vollem Dampf daher und driftet ganz weit 'raus. Jetzt kann er das Gas nicht mehr wegnehmen, sondern nur noch hoffen, daß das gut geht! Mein Gott, die Leute merken nichts, weichen um keinen Millimeter ...

Gerade noch kann Hahne den BMW abfangen. Um eine knappe Handbreite schleudert er an der Menschenmauer entlang! Er fängt den Wagen wieder und geht mit Vollgas auf die kurze Gerade ...

Als er abgewinkt wird, ist er naßgeschwitzt. Er hat gewonnen, ist sogar Erster im Gesamtklassement geworden - gegen all die starken und schnellen Konkurrenten. Viel mehr aber freut er sich darüber, daß es vorüber ist.

„Das war unmöglich - wie ich auf die zugekommen bin“, sagt er unsicher, als er den Sturzhelm abnimmt. „Ich habe ein paarmal geglaubt, jetzt fahre ich mitten 'rein!“

„Mir ist es genauso gegangen“, sagt Sir John und muß sich erst einmal setzen.

14 Tage später ist es entschieden: Nicht Sir John Whitmore gewinnt die Europapokal-Wertung, sondern der Engländer Warwick Banks auf seinem 1300-Morris-Cooper. Whitmore ist Zweiter, Hahne Dritter.

Als am Ende der Rennsaison 1964 zusammengezählt wird, liegt BMW eindrucksvoll an der Spitze: Hahne ist Deutscher Rundstreckenmeister und Dritter in der Europapokal-Wertung. Eppelein wurde, nur knapp geschlagen, Zweiter in der „Deutschen Bergmeisterschaft“.

Das ist mehr, als man erwarten konnte. Die „Neue Klasse“ hat sich durchgesetzt! Außerdem haben Deubel/Hörner wieder eine Weltmeisterschaft für Deutschland geholt, ihre vierte Weltmeisterschaft hintereinander, und die elfte hintereinander für BMW - obwohl sie diesmal nur Privatfahrer waren.

Vor allem aber hat BMW am Ende der Saison 1964 wieder einen Fahrer, der die Zuschauer fasziniert - Hubert Hahne. Da er außerdem Erfolg hat, nehmen ihn sogar die „Fachleute“ zur Kenntnis, wenn auch nicht besonders gerne, denn der 29jährige hat einen Fahrstil, den man allenfalls einem 19jährigen verzeihen würde. Er fährt nämlich „falsch“ ...

Dauernd steht er „quer“. Er zieht den Wagen nicht durch die Kurven, sondern „reißt ihn herum“. Er nimmt nicht an, was der Wagen freiwillig hergibt, sondern „zwingt ihm seinen Willen auf“. Er ist kein mutiger Fahrer; er ist ein „Selbstmörder auf Rädern“ - sagen sie.

Und sie sind gar nicht glücklich darüber, daß dieser „Kamikaze-Fahrer“ Rennen auf Rennen gewinnt und außerdem auch noch das Publikum begeistert. Denn das kann nicht gutgehen; das muß einmal schiefgehen ...

Bei BMW hat man weniger Bedenken gegen den gar nicht mehr so jungen Hahne. Gewiß, er fordert seinem Wagen das Letzte ab, aber dafür sind Rennen ja da! Es stimmt auch, daß er keinen „weichen“ Stil fährt, aber er ist eben mit seinem Stil der Schnellste, und das entscheidet schließlich beim Rennen! Sie geben zu, daß es verwegen aussieht, wenn Hahne durch die Kurven „sägt“, aber gerade beim Fahren am Grenzbereich kann man sehen, was ein Wagen taugt. Hahne hat bewiesen, was der 1800 TI wert ist! Er spart außerdem, das weiß man bei BMW recht gut, ein ganzes Laboratorium ein ...

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Rückschlag 1965

Das Rennjahr 1965 beginnt mit einem Paukenschlag: Mercedes kündigt an, daß es sich vom Tourenwagensport zurückzieht. Damit fällt das bedeutendste Fabrikteam der letzten Jahre aus ...

Die Nachricht erregt bei den BMW-Leuten niemand. Daß Mercedes 1964 gegen die neuen BMW eine Niederlage nach der anderen erlitt, hatte die sieggewohnten Untertürkheimer natürlich recht verärgert.

Niemand bei BMW glaubt daran, daß die Rennbeteiligung von Mercedes ganz zu Ende sein soll. Man hat da so seine Erfahrungen und weiß genau, daß ein paar rennsportbegeisterte Mercedes-Leute den ganzen Winter daran gearbeitet haben, den „300 SE“ noch einmal richtig „schnell“ zu machen. Mit der offiziellen Mercedes-Konkurrenz scheint es vorläufig jedoch nichts zu sein.

Mit der Konkurrenz der anderen Schnellen dagegen um so mehr! - Bei Lotus ist daran gearbeitet worden, den „Ford-Cortina" noch schneller zu machen, und Lancias „Flavia“ soll in Monza Wunderzeiten erreicht haben ...

Die Alfa-Leute haben sehr an ihren „Giulias“ gearbeitet. 1965 wollen sie wieder ganz vorne mitmachen.

Auch bei BMW hat man sich auf den Lorbeeren nicht ausgeruht, aber mit dem „1800“ ist nicht mehr allzuviel zu machen. Der Wagen ist eben viel mehr als die anderen noch ein echter Tourenwagen! Das Fahrgestell ist aufwendig, zuverlässig und gut, aber eben etwas zu schwer. Die Karosserie ist dafür gebaut, daß sie kompakt, geräumig und funktionell ist, aber nicht unbedingt dafür, daß man damit 230 km/h fahren kann. Der „1800 Tl“ war ja nur als schneller, sportlicher Reisewagen gedacht, von dem man insgesamt nicht mehr als 5000 Stück bauen wollte. Was die „Versuchs-Abteilung“ aus diesem Reisewagen gemacht hatte, damit hatte beim BMW-Vorstand zunächst selber niemand gerechnet. Genausowenig hat jemand damit gerechnet, wie dieser „Sportwagen“ von BMW einschlug. 1963 hat man davon nur 7 Stück verkauft. 1964 wird eine Lawine daraus! Jeder will jetzt den schnellen BMW haben, der so viele Sporterfolge erzielt - 1964 werden achttausend „1800 Tl“ verkauft. Und 1965 betragen die Lieferzeiten schon sechs Monate.

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Auf einem 2000 TI Alpina schlug "Auto Motor & Sport" - Testing. Gerd Hack bei der Int. Martha Journ. Rallye 1966 die favorisierte Konkurrenz

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Bei BMW schaltet man schnell. Anfang 1965 wird angekündigt, daß in diesem Jahr die nationalen Rennen nicht mehr von Fabrik-Teams bestritten werden. Nur noch bei den großen internationalen Rennen wird man eine Werks-Mannschaft einsetzen. Jetzt sind die Privatfahrer wirklich unter sich!

Die „Privaten“ sind damit zufrieden, und der Tourenwagensport nimmt in Deutschland einen weiteren gewaltigen Aufschwung, wie der ganze Motorsport überhaupt ...

Anfang 1965 hat die „ONS“ über 10 000 Lizenzen und Ausweise an Sportfahrer vergeben!

Bei BMW kann man sich jetzt auch voll auf die internationalen Rennen vorbereiten. Man meldet für Sebring/USA, das neue Mekka des Rennsports in der Neuen Welt. Dort soll die „Neue Klasse“ vorgeführt werden - mit einem entsprechenden Aufwand an Fahrern und Material.

Vorher findet noch die „Rallye Monte Carlo“ statt, diesmal wieder mit BMW-Beteiligung. Wie vor 35 Jahren, ist auch diesmal das BMW-Team keine Werksmannschaft.

Das Wetter ist im Januar 1965 überall in Europa milde. Deshalb scheint die 34. Rallye Monte Carlo eine bessere Spazierfahrt zu werden - jedenfalls bis zum Kontrollpunkt Saint-Claude westlich Genf, dem gemeinsamen Treffpunkt der Fahrer aus den neun Startorten. Nur fünf von 238 Startern sind bisher ausgefallen - ein Rekord für die Monte-Carlo-Rallye! Und die „gemeinsamen“ 800 Kilometer bis Monte Carlo können auch nicht mehr allzu schlimm sein, trotz der Sonderprüfungen im Jura und in den Alpen.

Plötzlich schlägt das Wetter um. Kurz hinter Saint-Claude beginnt es zu regnen. Im Jura ist Schneesturm und schlechte Sicht, dann regnet es, als man am Genfer See vorbeikommt. In Chambéry schneit es wieder heftig, und dann wird es mit jedem Kilometer schlimmer ...

In Castellane, nach 400 km, sind nur noch 123 Teams in der Wertung. In Annot, 120 km vor Monte Carlo, kommen noch 57 Teams durch die Kontrolle - davon nur drei strafpunktfrei!

In Monte Carlo sind noch ganze 35 Mannschaften im Rennen, 35 von 233, die vor etwas mehr als 12 Stunden in Saint-Claude losgefahren sind!

Unter den 35 Teams ist auch das einzige BMW-Team: Hans-Joachim Walter/Werner Lier. Sie sind in Stockholm gestartet, haben bisher über 4300 km zurückgelegt und liegen jetzt an 14. Stelle in der Wertung. Sie sind, wie alle anderen, völlig erschöpft ...

Aber das ist noch nicht alles. Haben die Monte-Carlo-Fahrer sonst nur noch ein Abschlußrennen auf dem Monte-Carlo-Kurs zurückzulegen, so müssen sie diesmal noch 610 km „Rennen“ fahren. Das würde ein hübscher, sportlicher Abschluß für die sonst so langweilig gewordene Monte-Carlo-Fahrt sein, hatten sich die Veranstalter gedacht, aber sie hatten eben nicht mit den Schneestürmen der Nacht vom 19. auf den 20. Januar gerechnet!

Auch die 610 km sind in der Nacht zu fahren. Es wird eine Fahrt durch eine glitzernde, wehende, schneesturmdurchtoste Hölle ...

In dieser Nacht vom 20. Januar fallen von den 35 Teams, die bisher durchgekommen sind, noch einmal 13 Mannschaften aus. In die Schlußwertung der 34. Rallye Monte Carlo kommen noch 22 Teams! Darunter liegt, an 10. Stelle der Gesamtwertung, das BMW-Team Walter/Lier. Sie sind außerdem Klassensieger - genau wie damals bei der 9. Rallye Monte Carlo das BMW-Team Rudat/Kecker/Bindert. Das war 1930, vor 35 Jahren.

Auch die „Neue Klasse“ hat ihre Winterprüfung glänzend bestanden!

Sebring wird dagegen eine Enttäuschung. BMW verfügt über ein hervorragendes Team. Es fahren Pedro Rodriguez, das mexikanische Grand-Prix-As, Bob Anderson, Hubert Hahne und Dieter Glemser. Sie alle sind für einen Sieg in den „3 Stunden von Sebring“ gut, die am Vortag des Sportwagen-Weltmeisterschaftslaufes ausgetragen werden.

Aber schon kurz nach dem Start fängt es an: Hubert Hahne fährt das kürzeste Rennen seines Lebens - nach 100 m bleibt er stehen. Am Vergaser ist irgend etwas kaputt. Aus! Er kommt nicht einmal bis zu den Boxen zurück ...

Nach einer Stunde fällt Rodriguez aus, ebenfalls mit Vergaser-Schwierigkeiten. Nach zwei Stunden ist nur noch Dieter Glemser im Rennen. Er wird schließlich Dritter. Das ist für ihn ein guter Platz - so dicht hinter den beiden schnellen Lotus-Cortina von Jim Clark und Jack Sears. Jim Clark war immerhin 1962 der Automobil-Weltmeister ...

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Europapokal 1965

Das erste Rennen für den Europapokal sind die „4 Stunden von Monza“.

Im Training fährt der 2,6-Liter-Alfa-Romeo von Carlo Facetti die schnellste Zeit: 3.12,2 Minuten. Hahne ist Trainings-Zweiter, braucht aber über 5 Sekunden mehr für den 10-km-Kurs: 3.17,9 Minuten. Dicht hinter ihm liegen wieder zwei Alfas, nur knapp 2 Sekunden langsamer als er. Der BMW ist eben zu schwer, zu kompakt, zu langsam ...

Vom Start kommt Hahne schlecht weg. Er verliert Boden und braucht eine Runde, bis er Anschluß hat. Dann aber fährt er eine Rekordrunde, und die Italiener sind von seinem riskanten Fahrstil genauso begeistert wie im Vorjahr die Deutschen. Er fährt auf Biegen und Brechen!

In der 4. Runde bricht auch etwas, nämlich der Schalthebel. Hahne braucht über 2 Minuten, bis der Schaden repariert ist, und geht dann hinein in eine wilde Aufholjagd. Abermals hetzt er wie besessen hinter dem Feld her, wieder reißt er die Zuschauer mit und fährt er eine neue Rekordrunde.- 3.16,8 Minuten. Das sind 182,9 km/h Durchschnitt.

Wieder ist es ein Materialfehler, der die Jagd beendet: Es zerreißt das Gummi-Zwischenstück an der Kardanwelle. Mit schlagendem Kardan kommt Hahne langsam an die Boxen gerollt. Eine Weile wird herummontiert, dann schiebt man den Wagen still beiseite ...

Hahne muß zuschauen, wie vorne Whitmore und Taylor mit den schnellen Lotus-Cortina den Alfa von Facetti jagen.

Aber auch Lotus hat heute kein Glück. Nacheinander fallen alle Wagen aus.

Es wird ein Alfa-Tag. Alfas belegen die ersten sechs Plätze auf ihrer Hausstrecke! Der nächste Europapokal-Lauf: am Mont Ventoux. Wieder ist der BMW nicht schnell genug. Hahne wird hinter drei Lotus-Cortina nur Vierter im Gesamtklassement. Immerhin - in seiner Klasse ist er Sieger. Er schlägt auch den besten Alfa. Aber es macht ihm keinen rechten Spaß, „hinterherzufahren“ ...

Eine Woche darauf will er es deshalb den anderen zeigen. Diesmal findet das Europapokal-Rennen auf „seiner“ Strecke statt - auf dem Nürburgring.

Alles ist vertreten: die Siegerwagen von Monza, zwei Lotus-Cortina, zwei schnelle Lancia-Flavia, und sogar zwei große „Ford- Mustang“, einer davon mit dem Deutschen Jochen Neerpasch am Steuer, auch einem „Ring-Spezialisten“, - und natürlich zwei BMW-Werk-Teams mit Hahne/Glemser und Willy Mairesse, dem „Targa-Florio“-Sieger, der mit Heinz Eppelein fährt ...

Die Trainingszeiten sind unwahrscheinlich: Mairesse legt gleich 10.23,3 Minuten vor - auf nicht ganz trockener Bahn. Whitmore unterbietet ihn anschließend. Er fährt 10.20,7. Neerpasch kommt mit dem Mustang auf 10.39,0; er ist noch „neu“ auf dem schweren Biest.

Dann ist Hahne dran. Er riskiert alles. Wieder einmal fegt er um den Ring, daß es die Zuschauer mitreißt - und dann hat er eine neue Trainings-Rekordrunde gefahren. 10.11,8 Minuten!

Whitmore gibt sich noch nicht geschlagen. Er springt in sein Fahrzeug, holt alles heraus - und ist mit dem viel leichteren „Cortina“ um eine Sekunde schneller als Hahne. 10.10,8 Minuten heißt der neue, „inoffizielle“ Rekord ...

Auch die anderen sind nicht gerade langsam. Schick, ein Mercedes-Mann, ist mit einem „verbesserten“ 300 SE gekommen - und fährt auch eine „verbesserte“ Zeit damit: 10.14,8 Minuten. Das ist schnell, aber es zeigt sich, daß es nicht genügt, denn auch Jochen Neerpasch fährt mit dem Mustang schneller als Schick: Er schafft 10.13,2 ...

Vom Start kommt Hahne, als es ernst wird, nicht gut los. Er geht als vierter in die Hatzenbach-Kurve, kommt als zweiter aus der 1. Runde zurück - 200 m hinter dem führenden Mercedes, der einen glänzenden Start erwischt hat. Hinter ihm liegen Sir John Whitmore, Willy Mairesse, Jacky Ickx auf Cortina und Jochen Neerpasch.

Dann greift Hahne an. In der 3. Runde liegt er nur noch knapp hinter Schiek - aber aus der 4. Runde kommt er nicht mehr zurück. Es dauert endlos, bis man an der BMW-Boxe erfährt, was passiert ist. Zwischen Metzgesfeld und Kallenhard ist Hahne liegengeblieben! Mitten in voller Fahrt ist ihm das Hinterrad weggebrochen. Wie durch ein Wunder konnte er den TI auffangen und vor der Kallenhard-Kurve zum Stehen bringen. Ohne einen Kratzer. Aber jetzt ist er Zuschauer ...

Als das bekannt wird, holt man Mairesse aus dem Rennen. Man hat keine Lust, das Leben eines Fahrers aufs Spiel zu setzen! Hier kann nur ein Materialfehler vorliegen.

Das Rennen ist praktisch zu Ende, als der führende Mercedes ausfällt. Getriebedefekt.

Unangefochten siegt Sir John Whitmore auf dem Lotus-Cortina. Für BMW sieht es nach dem „Nürburgring nicht sehr gut aus: Dreimal gestartet, zweimal ausgefallen - wenn auch beide Male durch Materialfehler, für die BMW selbst nichts kann; das dritte Mal deutlich zu langsam, dazu die Schlappe von Sebring ... 1965 scheint kein gutes Jahr für BMW zu werden.

14 Tage danach steht Hubert Hahne wieder am Start. Erneut ist es ein Europapokal-Rennen, diesmal die Coupe de Terlaemen in Zolder in Nordbelgien.

Wieder fährt Hahne gegen Sir John Whitmore - und ist langsamer. Er fährt, was nur 'rausgeht! Diesmal hält der BMW auch durch, aber am Ziel liegt Hahne 20 Sekunden hinter Sir John. Er hat zwar seine Klasse gewonnen, ist im Gesamtergebnis jedoch nur Dritter geworden - 19 Sekunden hinter einem anderen Cortina und nur 4 Zehntelsekunden vor dem jungen Belgier Jacky Ickx auf dem dritten Cortina, vor dem er sich gerade noch um Meter über die Ziellinie gerettet hat.

Eine Woche später versucht Hahne es noch einmal. Die „12 Stunden von Snetterton“ sind zwar vom Veranstalter auf 500 km verkürzt worden, aber diesmal ist die Konkurrenz noch schwerer als in Zolder.

Neben den schnellen Cortinas sind es die neuen Alfa „GTA“, die mit enorm schnellen Trainingszeiten imponieren. Sie sind 2 Sekunden schneller pro Runde als die Cortinas, fast 5 Sekunden schneller als die BMW.

Das Rennen ist merkwürdig und wird dramatisch. Der Start ist in Snetterton auf 18 Uhr angesetzt, so daß zwei Drittel der Distanz bei Nacht zurückgelegt werden müssen. Die Elektroausrüstung spielt eine entscheidende Rolle! Die schnellen Alfas sind da nicht besonders gut, und der beste Alfa-Mann, Bussinello, verliert immer wieder seine Position, als er wegen Beleuchtungsdefekten an die Boxen muß.

Auch Sir John muß außerplanmäßig an die Boxen, als ein Defekt am Hinterrad seines Wagens auftritt, aber er ist schnell wieder auf der Piste.

Hahne versucht alles, was er kann, doch er kann weder den Alfa halten - noch Sir John. Dabei läuft sein BMW störungsfrei, und das glänzende BMW-Team erledigt Tanken und Reifenwechsel in der halben Zeit wie die Konkurrenten. Das hilft alles nichts. Nach 500 km hat Hahne zwei Runden Rückstand auf Whitmore und Bussinello, gefolgt von Glemser auf dem zweiten BMW, der eineinhalb Minuten hinter Hahne liegt.

Die „1800 Tl“ sind auf leichten Rundstrecken einfach zu langsam! Deshalb fährt BMW in Karlskoga in Schweden erst gar nicht mit:. Sir John Whitmore ist der Europapokal-Sieg nicht mehr zu nehmen. Hahne kann ihn keinesfalls einholen, auch wenn er alle noch ausstehenden Rennen gewinnt.

Deshalb konzentriert sich BMW lieber auf die anderen internationalen Rennen, die 1965 nicht zum Europapokal gehören: die 24 Stunden von Spa und die 5 Runden vorn Nürburgring ...

In Spa heißt das Duell: Alfa gegen BMW! Zwar hat BMW mit Hahne/Mairesse, Munaron/Eppelein und Ickx/Langlois gleich drei hervorragende Teams mitgebracht, aber der italienische Meisterschaftsanwärter Pinto fährt ein hervorragendes Rennen, ebenso wie sein Partner Galimberti: Von der 2. Runde an liegen sie an 1. Stelle, und nach drei Stunden führen die Italiener immer noch. Dann drehen Hahne/Mairesse voll auf und übernehmen nach 4 Stunden die Führung, doch die beiden Fahrer müssen alles aus ihrem Wagen herausholen, um mit dem Alfa mitzuhalten.

Nach 8 Stunden befindet sich der Hahne/Mairesse-BMW immernoch in Führung. Nur 1,33 Minuten liegt er vor dem weißen Alfa. Das ist nicht viel für die 16 Stunden, die noch zu fahren sind!

Kurz nach 1 Uhr morgens hat der Alfa die Nase wieder vorne, wird aber von Hahne gejagt, bis er ausfällt. Der Alfa muß an die Box und kommt erst nach 13 Minuten wieder auf die Piste. Dann ist es bald vorbei: Wieder muß Galimberti an die Boxen, diesmal endgültig. Das Rennen scheint gelaufen. Aber - ein Rennen ist immer erst nach dem Abwinken zu Ende. -

Um 10.30 Uhr morgens geht Hahne an die Boxen. Es ist nur ein Routinestopp. Er liegt uneinholbar mit 3 Runden Vorsprung vor dem zweiten BMW und einem anderen Alfa vorne.

Als Mairesse starten will, dreht der Anlasser durch ... Er kommt zwar noch ins Rennen, aber nach einer halben Stunde ist es für Hahne/Mairesse wirklich vorbei. Als Mairesse etwas an der Box nachsehen lassen will, kann er nicht mehr starten.

Um 11 Uhr wird der BMW zur Seite geschoben - mit kerngesundem Motor, weit in Führung liegend. Ein Anlasserdefekt nach 19 Stunden ...

Allerdings gewinnt doch noch ein BMW, der dritte, der von Pasqual Ickx, dem Bruder von Jacky, sehr schonend zu Ende gefahren wird. Dahinter liegt auf dem 2. Platz ein Alfa.

Wieder haben die beiden schnellen Werks-BMW nicht durchgehalten. Materialfehler hin, Materialfehler her - sie sind zu langsam!

Eine Woche darauf versucht Hubert Hahne, das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Eine Stunde nach dem Schluß vom Großen Preis von Deutschland am Nürburgring, den Jim Clark gewinnt, steht er am Start zum 5-Runden-Tourenwagenrennen. Diesmal geht Hahne sofort an die Spitze und fährt ein spektakuläres Rennen, das die Zuschauer mehr begeistert als der ziemlich langweilige Grand Prix vorher: Er steht „quer“ - diesmal vom Anfang bis zum Ende - und er fährt eine Rekordrunde nach der anderen! In der 3. Runde bricht er Whitmores Rekord. Er fährt 10.16,0 Minuten. In der 4. Runde steigert er sich auf 10.14,8 Minuten, und die 5. Runde legt er in 10.12,2 zurück - das sind 134,2 km/h Schnitt ...

Gleich darauf fällt er aus allen Wolken: Man zweifelt seine Zeit an! Man bezweifelt nicht die Uhren, sondern zweifelt daran, daß der BMW 1800 TI dem Tourenwagen-Reglement entspricht!

Zusammen mit den anderen beiden Wagen, die sehr schnelle Zeiten erzielt haben, mit dem Siegerwagen der 1000-ccm-Klasse, einem FIAT-Abarth-Corsa des Düsseldorfer Fahrers Erich Bitter, und dem „700“-BMW des Braunschweigers Eckhard Spelsberg, wird der 1800 TI von den Sportkommissaren sichergestellt.

Bei BMW trägt man diese Sache mit Fassung. Für den Wagen Hahnes ist das Werk seiner Sache völlig sicher. Was mit dem privaten „700“ gemacht worden ist, weiß natürlich niemand ...

Am nächsten Tag muß sich die Rennleitung des „AvD“ bei BMW und bei den Privatfahrern entschuldigen. Die technischen Kommissare haben keinerlei Abweichungen vom Tourenwagen-Reglement feststellen können! Die offizielle Bekanntmachung lautet: „Die untersuchten Tourenwagen, der 1800 TI des Tourenwagen-Gesamtsiegers Hubert Hahne, der FIAT-Abarth 1000 des Klassensiegers der 1000-ccm-Klasse Erich Bitter und der „700 BMW“ des Klassensiegers Eckhard Spelsberg entsprechen in allen Bauteilen den Angaben des Testblattes und weisen keine Veränderungen auf, die nach dem Sportgesetz nicht zulässig wären.“

Jetzt freut man sich bei BMW natürlich doppelt. Damit ist die Ordnungsmäßigkeit des schnellen TI sozusagen „amtlich“ festgestellt, obwohl er - abgesehen von Hahnes Fahrkunst am „Ring“ - in Wirklichkeit gar nicht mehr so schnell ist. Das zeigt sich bald darauf im nächsten „Europapokal-Rennen“ in Sainte-Ursanne in der Schweiz.

Wieder ist Hahne mit dem 1800 TI am Start. Obwohl er auf Biegen und Brechen fährt und das Letzte aus dem BMW herausholt, ist er oben fast 8 Sekunden langsamer als Sir John Whitmore, der damit endgültig „Tourenwagen-Europameister 1965“ geworden ist ...

Noch deutlicher zeigt es sich Ende August auf dem schnellen Dünenkurs von Zandvoort dicht an der holländischen Küste, wo das letzte Europapokal-Rennen des Jahres ausgetragen wird. Noch einmal ist Hubert Hahne am Start, obwohl der Pokal ja schon entschieden ist, und obgleich er weiß, daß er gegen die schnellen Alfas und Lotus-Cortinas nichts zu gewinnen hat. Hubert Hahne fährt ja aus Spaß am Fahren!

Zandvoort 1965 wird durch ihn und Jacky Ickx ein Rennen, das keiner der Zuschauer jemals vergißt. - Der Höhepunkt der „Zandvoort Trophy“ ist diesmal nicht der Kampf um den 1. Platz - obwohl es auch da eine Zeitlang zwischen Sir John Whitmore und Peter Procter auf Lotus und Bussinello und Slotemaker auf Alfa Romeo ziemlich knapp zugeht ...

Was die Zuschauer von ihren Sitzen hochreißt, das ist das Privatrennen zwischen Hahne und dem jungen Belgier um den 5. Platz.

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Zandvoort 1965: Die Wagen der beiden Kampfhähne - hier noch beide ziemlich unbeschädigt (am Steuer: Hahne und in Nr. 107 Jacky Ickx). Aber später touchieren sie noch und noch - insgesamt ungefähr 20 oder 25mal!

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Zandvoort ist kein langer Kurs. Etwas über 4 km hat eine Runde. Dafür geht es nur ein paar hundert Meter geradeaus - der Rest der Strecke besteht aus schnellen Kurven. Es ist ein Rennkurs, der sich ausgezeichnet zu spektakulären Überholmanövern eignet. Wer raus- fliegt, landet im weichen Dünensand. 

Überholmanöver leisten sich die beiden Kampfhähne durch 18 der 22 Runden des Rennens! Sie fahren Rad an Rad, sie überholen sich vier-, fünfmal in einer Runde, sie touchieren. Einmal dreht sich Hahne, der Wagen fängt an zu tanzen, hebt sich auf zwei Räder - dann hat ihn Hahne wieder in der Gewalt. Er fährt hinter seinem Gegner her, holt ihn nach zwei, drei Minuten ein, und wieder beginnt das Spiel, das die Zuschauer von den Sitzen reißt.

Die Sportkommissare wissen nicht mehr, was sie tun sollen. So etwas haben sie noch nicht erlebt - obwohl hier in Zandvoort sehr oft hart gefahren wird. Sie überlegen, ob sie den beiden Kampfhähnen die schwarze Flagge zeigen sollen, ob sie sie aus dem Rennen herauswinken sollen. Aber dann lassen sie es doch bleiben. Das, was die beiden da treiben, ist kein „Kampf auf Leben und Tod“, sondern eine vergnügte, verrückte, eigensinnige Balgerei von zwei Meisterfahrern, etwas, was sie wohl alle nur einmal im Leben sehen werden!

In der 18. Runde ist die Balgerei zu Ende. Der „Cortina“ bleibt stehen; die Vorderradaufhängung des leichten Wagens hat die Jagd nicht ausgehalten.

Hahne fährt weiter, einem sicheren 5. Platz entgegen. Aber als er in der nächsten Runde an seinem Freund vorbeikommt, kann er es nicht lassen: auf Zentimeter genau fährt er an Jacky Ickx heran, der etwas traurig mit dem Sturzhelm in der Hand die Piste entlanggeht - und berührt den Sturzhelm ganz leicht mit der Wagenseite ... Wie gestochen springt Jacky zur Seite. Dann muß er lachen. So genau fahren eben nur er - und sein Freund Hubert Hahne.

Nach dem Rennen sind sich Hahne und die BMW-Leute darüber einig, daß man mit dem „1800 Tl“ keine Chancen mehr hat ...

Insgesamt war das Rennjahr 1965 nicht ganz so erfolgreich wie 1964. Zwar ist Hahne, noch vor dem Alfa-Romeo-As Andrea de Adamich, in der Europapokal-Wertung immer noch Vierter, und auch in diesem Jahr haben eine Reihe anderer TI-Fahrer von sich reden gemacht, wie der neue Star Josef Schnitzer, Prinz Hubert zu Hohenlohe, Jürgen Grähser und Klaus Miersch, zwar hat der „700“ noch einmal in unzähligen Rennen bewiesen, was er wert ist, aber die anderen sind schneller geworden! Immer mehr Geld wird in die Tourenwagen gesteckt, immer mehr Firmen wollen in den unbarmherzigen Prüfungen der Rennen zeigen, was ihre Familienkutschen wirklich wert sind, darunter Giganten wie Ford in Amerika ...

Noch steht BMW im deutschen Tourenwagensport an der Spitze, aber international ist ein kleiner Rückschlag eingetreten.

In der Motorrad-Seitenwagen-Klasse haben diesmal Deubel/ Hörner ihre Weltmeisterschaft nicht verteidigen können. Den Kampf um ihre 5. Weltmeisterschaft hintereinander haben sie knapp - an das schweizerisch/britische Team Scheidegger/ Robinson verloren. Überflüssig, zu erwähnen, daß die neuen Weltmeister eine BMW fahren ...

Anfang 1966 ist BMW fieberhaft bei der Arbeit. Möglichst rasch soll der „Neue“ fertig werden, der „2000 TI“. Er sieht genauso aus wie der „1800 TI“, ist aber um 200 ccm größer, um einige 20 oder 30 PS stärker und schneller. Wenn er auf den Rennpisten erscheint, hat BMW wieder eine Chance, obwohl für dieses Jahr die Europapokal-Ausschreibung geändert worden ist: 1966 müssen die BMW in der Klasse über 1600 gegen die ganz Großen fahren, also auch gegen die Mercedes und Ford-Mustang, die ganz schnellen Brummer.

Beim ersten Europapokal-Rennen 1966 in Monza ist BMW noch nicht dabei. Der „2000 Tl“ ist noch nicht fertig. Und wenn er „fertig“ ist, muß er ja erst einmal „homologiert“ werden, d. h., es müssen von dem Typ mindestens 500 Exemplare gebaut sein, und dieser Typ muß dann mit allen Einzelheiten verbindlich der „FIA“ eingereicht werden. Erst wenn die hohen Herren von der Fédération Internationale Automobile ihn freigegeben haben, kann er in Rennen starten ...

Das Rennen von Monza wird diesmal nicht sehr interessant, da auch die „Lotus-Cortina“ fehlen. Bei ihnen ist der neue Typ ebenfalls noch nicht ganz fertig ...

De Adamich/Zeccoli auf Alfa Romeo GTA gewinnen in neuer Rekordzeit. Sie fahren eine schnellste Runde von 191,18 km/h, fast 9 km/h schneller als Hahne letztes Jahr bei seiner Rekordrunde ...

Auch zum nächsten Europapokal-Wertungslauf in Wien ist BMW noch nicht so weit. Aber Hubert Hahne fährt mit - auf einem „Lotus-Cortina“.

Nein, Hahne ist BMW nicht untreu geworden. Aber eine Woche vor dem Rennen in Wien ruft Sir John Whitmore ihn an - am Nürburgring, wo er gerade den „Neuen“ testet.

„Hallo, Hubert, hättest du Lust, in Wien mal einen Lotus zu fahren? Jimmy Clark sollte fahren, kann aber nicht. Er ist immer noch verletzt“, sagt Sir John.

„Lust hätte ich schon“, sagt Hahne, „es fragt sich nur, ob Hahnemann auch Lust hat?“

Er hängt ein, ruft in München an, und der BMW-Gewaltige hat tatsächlich nichts dagegen. „Warum nicht?“ sagt Hahnemann, sportlich, wie er nun mal ist. „Wenn Sie möchten ... Schließlich sind es doch unsere Freunde.“ Dann läßt er sich die Geschichte von Jim Clarks Verletzung genauer erzählen:

Anfang 1966 wurden die zwanzig erfolgreichsten „Ford-Cortina“-Fahrer nach Cortina d'Ampezzo eingeladen - dem Olympiaort in Italien, der dem „Cortina“ seinen Namen gegeben hat.

Unter den zwanzig Fahrern war auch Jim Clark. Neben seinem Grand-Prix-Weltmeistertitel, dem zweiten hintereinander und dem dritten überhaupt, hatte er 1965 nämlich „so nebenbei“ noch einen Titel herausgefahren: den eines Britischen Tourenwagen-Meisters 1965 - auf dem „Cortina“ ...

Die zwanzig Rennfahrer balgten sich im Schnee herum und trieben dummes Zeug - bis Jimmy Clark auf eine überwältigende Idee kam: Er fuhr mit einem „Cortina“ zum Start der Olympia-Bobbahn - und die Bobbahn hinunter! Mit dem Auto! Es ging gut, und weil es so gut ging, wiederholte er sein Meisterstück fünf-, sechsmal.

Anschließend veranstalteten die anderen für den Weltmeister eine kleine Schneeballschlacht. Irgendwie mußten sie doch „Jimmys Bobrennen“ gebührend feiern.

Und dabei passierte es: Jimmy Clark, der dreifache Automobil-Weltmeister, der Mann, der hundert Rennschlachten heil überstanden hat, rutschte aus und setzte sich hart hin. Als er aufstehen wollte, konnte er es nicht. Er hatte sich das Steißbein angebrochen, ein paar Rippen geprellt und war vorläufig außer Gefecht ...

Natürlich mußte er obendrein den Spott seiner Kameraden ertragen ...

So fährt also Hubert Hahne auf „Lotus-Cortina“. Nach ein paar Runden ist er auf dem „Cortina“ fast zu Hause, und er fährt auch gleich eine Trainingsbestzeit heraus.

Dann beginnt das Rennen. Wieder ist Hahne gleich vorne, doch dann kommt er in einer Kurve mit der ungewohnten Rechtslenkung nicht ganz zurecht, verschaltet sich - und im Nu haben ihn fünf, sechs Wagen überholt, darunter auch der junge Österreicher Dieter Quester mit Hahnes „altem“ 1800 TI ...

Nun zeigt Hahne, was er kann. Er jagt hinter der Spitzengruppe her und überholt ein paar Konkurrenten - um dann in der 18. Runde auszufallen. Getriebedefekt!

Das Rennen gewinnt Sir John vor de Adamich. Quester wird Dritter - weit abgeschlagen ...

Als am 18. Mai in Zolder das dritte Europapokal-Rennen statt- findet, ist der „2000 Tl“ zwar fertig, aber noch nicht homologiert. Wieder gewinnt Sir John auf dem „Cortina“. Er hat jetzt schon zwei Siege aufzuweisen, de Adamich einen Sieg und einen 2. Platz.

BMW verkündet nach dem Rennen, daß der Kampf um die Europapokal-Wertung noch aufgenommen werden soll; beim nächsten Rennen, am 3. Juli am Nürburgring, wird BMW an Start sein.

Die 6 Stunden vom „Nürburgring“ werden für BMW eine Enttäuschung ...

Im Training ist Hahne sehr schnell. Er bleibt nur knapp über der 10-Minuten-Grenze. Aber de Adamich auf dem Alfa und Sir John Whitmore auf dem Cortina sind fast noch schneller. Dazu ergeben sich sofort Reifenprobleme- der „2000 Tl“ ist zwar sehr schnell, aber er ist auch recht schwer. Er wiegt über 300 kg mehr als der Lotus oder der Alfa! Er ist eben ein „echterer“ Tourenwagen als die beiden verkappten Rennsportwagen ...

82 Wagen stehen am Start und gehen auf die 6-Stunden-Reise. Aus der 1. Runde kommt Hahne als erster zurück, dicht gefolgt von Sir John und Andrea de Adamich. Dahinter erscheinen Jacky Ickx auf dem zweiten Werks-Lotus und Dieter Glemser auf dem zweiten BMW ...

In der 2. Runde läßt Hahne de Adamich vorbei, in der 3. Runde auch Sir John. Er muß seine Reifen schonen, und das Rennen dauert ja schließlich sechs Stunden. Daß er schneller sein kann als die bei- den, hat er in der 1. Runde bewiesen, als er de Adamich überholte und dem Lotus davonzog.

In der 4. Runde fällt überraschend Sir John aus. An seinem Cortina bricht das Hinterrad ab. Eine Runde später passiert Jacky Ickx das gleiche Malheur. Beide können ihre Wagen zum Stehen bringen, aber für Lotus-Cortina ist das Rennen zu Ende.

In der 6. Runde führt immer noch de Adamich auf dem Alfa. Hinter ihm fährt Hahne „auf Warten", dahinter liegt der zweite BMW mit Dieter Glemser.

Nach der 11. Runde wechseln die Fahrer. Für Hahne nimmt Willy Mairesse das Steuer, für Glemser sein Partner Toni Fischhaber. An Stelle von de Adamich fährt jetzt Zeccoli den Alfa.

Mairesse fährt ausgezeichnet, er bringt den BMW näher an den Alfa heran, da Zeccoli bei weitem nicht so gut ist wie sein Partner, und nach der 22. Runde, als Hahne wieder den BMW übernimmt, liegen sie nur Sekunden hinter dem Spitzen-Alfa.

Hahne legt los und fährt eine neue Rekordrunde mit 10.10,0 Minuten. Plötzlich passiert es...

Die 25. Runde fährt Hahne noch schneller. Er fegt die „Wehrseifen" hinunter, daß die Zuschauer aufschreien, gerät so dicht an die Hecke, daß es ihm den Rückspiegel verbiegt, berührt unten an der „Breitscheid“-Brücke mit dem Heck die Betonmauer - und geht mit vollem Zahn in die Rechtskurve. Er schaltet und gibt Vollgas. Unwillkürlich lehnt sich Hahne nach links, als er in die schnelle Linkskurve vor dem „Bergwerk“ geht, und auf einmal macht der Wagen einen Satz nach rechts. Hahne versucht ihn auf- zufangen. Er umklammert das Lenkrad so fest, daß es sich verbiegt ... Vergebens! Der BMW schießt weiter auf die Böschung zu und ist rechts vorne wie blockiert. Da kommt schon die Hecke, dahinter geht es vier, fünf Meter hinunter! Blitzschnell schaltet Hahne zurück, das Getriebe kreischt auf, blockiert, der Wagen stellt sich quer, dreht sich, rutscht querstehend auf die gegenüberliegende Böschung zu, dreht sich noch einmal - und kommt ganz knapp vor der Hecke zum Stehen. Hahne steigt aus, und dann wird er blaß ...

In voller Fahrt ist das rechte Vorderrad weggebrochen und davongeflogen! Ein Wunder, daß das nicht zu einem schweren Unfall geführt hat.

Hahne montiert blitzschnell das Reserverad und fährt langsam zu den Boxen zurück. Dort erfährt er, daß es aus ist: Die ganze Vorderachse hat sich verzogen! Unmöglich, den Wagen während des Rennens zu reparieren. Es ist aus ...

Das Rennen gewinnt ungefährdet de Adamich auf dem „Alfa“, Zweite werden, eine Runde zurück, Glemser/Fischhaber auf dem anderen „2000 TI“.

Hahne ist enttäuscht. jetzt hat de Adarnich auch zwei Siege aufzuweisen, genau wie Sir John. Und er selber ist noch ohne Punkte - nach der Hälfte des Europapokals.

Zu allem Überfluß hat ihm de Adamich auch noch den Nürburgring-Rundenrekord abgenommen. In der 34. Runde fuhr er eine neue Rekordzeit mit 10.08,9 Minuten. Das sind 134,8 km/h. Sofern BMW in Spa wieder Pech hat, ist es für 1966 praktisch aus ...

Die „24 Stunden von Spa“ sehen ein neues BMW-Team am Start: Hubert Hahne und Jacky Ickx. Nach dem „Kamikaze-Rennen von Zandvoort“ hat sich nämlich Walter Schlüter, Europameister und Tourenwagen-Betreuer von BMW, gesagt: Die beiden dürfen einfach nicht gegeneinander starten. Das gibt einmal eine Katastrophe! Also muß man sie auf einen Wagen setzen.

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Spa 1966“

Schon im Training zeigt sich, daß es diesmal heiße Kämpfe geben wird.

Der Hahne-Ickx-BMW ist zwar am schnellsten, aber nur Sekundenbruchteile vor dem „Ford-Mustang“ von Gautot/Tuerlinckx und dem Alfa Romeo GTA von Baghetti/Bianchi. Auch bei Alfa hat man sich einen Grand-Prix-Fahrer als Pilot Nummer 1 geholt.

Dahinter kommt der zweite BMW mit Glemser/Mairesse, dann fünf, sechs Alfas - alle nur um Sekunden auseinander.

Den aufregenden „Le-Mans-Start“, ein lebensgefährliches Unterfangen auf der abfallenden, engen belgischen Rennstrecke, gewinnt Hubert Hahne. Als erster fährt er auf das Steilstück hinter Start und Ziel, gut 50 m vor dem roten Alfa von Baghetti. Als die Wagen aus der 1. Runde zurückkehren, liegt jedoch der Mustang an der Spitze der 55 Teams ...

Nach 10 Runden geht ein Alfa an dem Mustang vorbei, die Nummer 29 mit Rinto/Demoulin. Dahinter liegen zwei, drei Alfas, dann erst die Nummer 17 mit Hahne/Ickx ...

Nach 4 Stunden liegt der BMW vorne. Natürlich hat es wieder Ausfälle gegeben; das Tempo der Spitze ist zu scharf. In den ersten Stunden werden über 175 km/h Schnitt gefahren. Es gibt auch wieder Unfälle, zum Glück aber bis jetzt keine schweren ...

Unverändert liegt auch bei Einbruch der Nacht das deutsch/belgische Team an der Spitze, führt vor Pinto/Demoulins, Baghetti/Bianchi und de Adamich/Zeccoli. Erst dahinter folgt der zweite Werks-BMW mit Mairesse/Glemser, fast eine Runde zurück ...  

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"Signalisation" in der Nacht: eigene Position, Ausfälle bei den Rivalen, taktische Anweisungen - alles ist für den Sieg wichtig

Kurz vor Morgengrauen fallen nacheinander Baghetti/ Bianchi und de Adamich/Zeccoli aus. Jetzt liegen Glemser/Mairesse an 3. Stelle. Der Ford-Mustang muß immer häufiger zur Boxe, fährt jeweils nach ein paar Sekunden wieder weiter, aber alle Aufholarbeit nützt nichts; der stärkste und schnellste Wagen des Feldes liegt weit abgeschlagen an 6. Stelle.

Als der Tag anbricht, sind nur noch 30 Wagen im Rennen. jetzt gibt es einen aufregenden Zwischenfall.

Der führende Wagen, der Hahne/lckx-BMW, kommt an die Boxen. Routinewechsel. Hubert Hahne löst Jacky Ickx ab. Er hört, was ihm sein Freund über die letzten zwei Stunden berichtet. Plötzlich bückt er sich und sieht genauer hin: Dicht neben dem Ansatzstutzen des Kühlers perlen kleine Wasserdampfbläschen heraus. Da stimmt doch was nicht!

Falkenhausen kommt dazu, die Monteure beugen sich über den Motor. Tatsächlich! Der Kühleransatz ist gebrochen und kann jeden Augenblick ganz abbrechen! Dann ist es aus. Deshalb also haben sie so viel Kühlwasser nachfüllen müssen.

„Es hilft nichts, wir müssen den Kühler ausbauen!“ ruft der Chef-Mechaniker Falkenhausen zu. Hahne denkt blitzschnell nach. Jetzt mit dem Bauen anfangen? Mit kochendheißem Kühler, ganz unvorbereitet? Das kostet zuviel Zeit. Das bedeutet, daß das Rennen verloren ist!

„Nein“, ruft er. „Ich fahre ein paar Runden. Erst wenn alles soweit ist, holt ihr mich herein. Macht aber inzwischen Wasser heiß, damit ich dann sofort voll losfahren kann!“

Er springt hinein und fährt los. Drei, vier Runden fährt er - nicht zu schnell, nur so, daß er nicht allzuviel verliert. Er hat ja über eine Runde Vorsprung vor Glemser/ Mairesse, ebensoviel vor dem Alfa - er kann sich also etwas leisten. Aber nur „etwas“!

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Spa 1966: Die Rennmonteure gewinnen ein Rennen. Kühlerwechsel in 4¾ Minuten - und Hahne/Ickx gewinnen noch!

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Dann sieht er das Signal. Er kommt an die Boxen und hält. Nun geschieht etwas, das für die alten Rennhasen aufregender ist als das ganze 24-Stunden-Rennen: In 4 Minuten und 43 Sekunden wechselt das BMW-Boxen-Team den Kühler! Die Männer bauen die Verkleidung aus, bauen den Kühler aus, bauen den neuen Kühler wieder ein - er ist schon mit heißem Wasser aufgefüllt - schließen die Stutzen an und bauen die Verkleidung wieder zu.

Nach 4 Minuten und 43 Sekunden geht Hahne wieder auf die Piste! Er hat genau eine Runde verloren. Jetzt liegt er nur mehr an 2. Stelle, knapp hinter dem Glemser/Mairesse-BMW.

Und dicht hinter ihm kommt die Nummer 29, das Alfa-Coupé von Pinto/Demoulin ...

Nun ist Hubert Hahne nicht mehr zu halten. Er fegt ein paarmal um den Kurs, daß die übermüdeten Zuschauer plötzlich munter werden! Wieder einmal steht er in jeder Kurve „quer“. Er fährt jetzt, 14 Stunden nach Rennbeginn, beinahe Rekordrunden - und kann eine Stunde später seinem Freund das Steuer mit einem beruhigenden Vorsprung von über einer Minute abgeben.

Das ist aber auch bitter nötig. Inzwischen ist der Glemser/Mairesse-BMW ausgefallen - wegen Motorüberhitzung. Vermutlich ist ihnen das gleiche passiert, nur hat es keiner rechtzeitig bemerkt.

Nach 24 Stunden haben Hahne/Ickx einen ganz überlegenen Sieg herausgefahren.

Sie haben auch eine neue Rekorddistanz zurückgelegt: 4048 km für die 24 Stunden. Der erste Tourenwagen über 4000 Kilometer - und vorläufig auch der einzige! Pinto/Demoulin haben „nur“ 3988 km zurückgelegt ...

Jetzt haben Hahne und BMW auch eine Siegwertung im Europapokal aufzuweisen. Sie liegen nicht mehr ganz aussichtslos im Rennen ...

Schon eine Woche darauf ist der nächste Wertungslauf, die „500 Kilometer von Snetterton“.

Diesmal ist die Konkurrenz noch härter! Lotus-Cortina hat zwei Grand-Prix-Fahrer dazugeholt, Jochen Rindt, der in der Weltmeisterschafts-Wertung an 2. Stelle liegt, und Jackie Stewart. Der Österreicher fährt anfänglich auch tatsächlich ein „Grand-Prix-Rennen“. Sofort geht er an die Spitze, verfolgt von de Adamich und Hahne. Dann erst kommt Sir John Whitmore, der mit der regennassen Piste Schwierigkeiten hat.

Nach einer Stunde führt de Adamich, als Jochen Rindts Cortina seinen Geist aufgibt. Das „Grand-Prix-Tempo“ war ihm offensichtlich zuviel ...

De Adamich ist auch nicht von der Spitze zu verdrängen, als Hahne angreift. Der Alfa liegt noch etwas besser als der BMW. Er ist auch viel leichter und ist, wie gesagt, eigentlich eher ein „Gran-Tourismo-Coupé“. Er erfüllt eben die Bedingungen der Tourenwagen-Klasse, ohne ein richtiger Tourenwagen zu sein ...

Am Schluß des Rennens liegt de Adarnich unverändert vorne, aber dahinter folgt, noch nicht einmal 2½ Minuten zurück, Hubert Hahne. Dritter ist wieder ein BMW: Dieter Glemser, eine Runde zurück. Erst drei Runden später kommt Jackie Stewart ans Ziel - mit dem ersten Lotus-Cortina.

BMW hat überlegen den Klassensieg errungen ... Damit haben Hahne und BMW zwei Siege aufzuweisen - gegen die drei von de Adamich und Sir John.

In den noch ausstehenden zwei Europapokal-Rennen kann noch eine ganze Menge geschehen. Der „2000 TI“ scheint jedenfalls „fertig“ zu sein ...

Vor dem nächsten „Europapokal"-Rennen hat der 2000 TI Gelegenheit zu zeigen, wie schnell er wirklich ist.

Am 6. August startet Hahne bei der AvD-Trophäe, dem 5-Runden-Tourenwagen-Rennen am Nürburgring am Vortag des Großen Preises von Deutschland für Rennwagen ...

Eigentlich startet Hahne an diesem Wochenende gleich zweimal: in der AvD-Trophäe für Tourenwagen am Samstag und beim Grand Prix am Sonntag. Sein Freund Jacky Ickx hat sich für die „24 Stunden von Spa“ revanchiert und hat Hahne einen Matra-Cosworth-Formel-II-Rennwagen reserviert. Es ist allerdings kein reines Vergnügen, mit einem 1-Liter-Wagen im Rennen der 3-Liter- Boliden mitzufahren.

Das Tourenwagen-Rennen ist nicht so stark besetzt. Der Lauf zählt ja nur für die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft. Immerhin ist Herbert Schultze am Start. Er ist mit einem der schnellen Alfa-GTA erster Anwärter auf den Titel eines Deutschen Tourenwagen-Meisters 1966. Außerdem sind noch ein paar schnelle Alfa da und der 2000 TI von Josef Schnitzer aus Freilassing.

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Traumrunde auf dem Nürburgring

Vom Start weg geht Hahne in Führung. Er fährt die Startrunde schon in 10.10,4 Minuten - nur eineinhalb Sekunden über de Adamichs Rekordzeit.

Schon in der nächsten Runde stellt Hahne einen neuen Rundenrekord auf. 10.02,0 Minuten! Die Zuschauer jubeln ihm zu, als er querstehend durch die Kurven geht, aber dann wird ihre Freude an dem Rundenrekord des Rheinländers gedämpft, denn Herbert Schultze aus Berlin fährt um 2 Zehntelsekunden schneller. Er stellt den Rundenrekord auf 10.01,8 Minuten!

In der 3. Runde wird Hahne noch schneller. Er geht voll driftend in die Südkurve, fährt die Gegengerade genau an, rast schneller als jeder andere die Gegengerade entlang und fährt die Kurven des „Hatzenbachs“ optimal durch. Dann jagt er über die Brücke und den Sprunghügel zum „Flugplatz“ hinauf. Hier stellt sich das Schütteln wieder ein, das ekelhafte Rütteln in der Steuerung, das ihm schon seit der 1. Runde zu schaffen macht. Er hält das Steuer noch fester, geht auf 200, 210, 220 km/h. Das Rütteln hört nicht auf, aber es wird auch nicht schlimmer. Da vorn kommt die leichte Linkskurve. Der Wagen will ausbrechen. Hahne zieht ihn nach innen, behält ihn unter Kontrolle, bremst dann an, am „Schwedenkreuz“ vorbei, auf „Aremberg“ zu. Jetzt folgt die endlose Rechtskurve. Vollgas, schalten, dann mit allem, was drin ist, die „Fuchsröhre“ hinunter. 150, 180, 200 km/h! Der Wagen will im Knick unten in die Knie gehen, kommt wieder hoch, springt auf die Links-Rechts-Kurve zu ...

Hahne schaltet und zwingt den BMW in die Links-Rechts-Kombination oben am „Adenauer Forst“. Dann wieder „volle Pulle rein“, schalten, mit „allem“ aufs „Metzgesfeld“ zu. Da ist die Linkskurve, wo ihm im vorigen Jahr das Hinterrad abbrach. Jetzt anbremsen! Der Wagen steht quer, als er durch die Rechtskurve in die „Wehrseifen“ hineingeht, wieder beschleunigt, links-rechts-links durch die „Wehrseifen“ hinuntersägt. Mit einer Seite rauscht Hahne voll in die Hecke - an der berüchtigten Linkskurve. Dann wieder voll drauf, bremsen. Es folgt die Linkskurve vor „Breidscheid“, wo er einmal mit dem „Abarth“ hinausgeflogen ist. Jetzt fährt er voll rein, über die Brücke und die steile Rechtskurve hinauf. Schalten, ganz schnell wieder schalten ...

Er passiert die leichte, schnelle Linkskurve vor dem „Bergwerk“, ärgert sich über den Wagen, der irgendwie nicht „voll“ geht, rast dann mit heulenden Reifen um die endlose Rechtskurve des „Bergwerks“, schaltet hoch und geht mit durchgetretenem Gashebel die endlos lange Steigung an. Vollgas - schalten - Vollgas. 

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"Traumrunde auf dem Nürburgring" 1966: Hahne fährt als erster  Tourenwagen- fahrer eine Runde unter 10 Minuten - in 9.58,5

 

Jetzt muß der BMW alles hergeben, was in ihm steckt, aber heute steckt nicht allzu viel in ihm! Jetzt kommt die schnelle Links-Rechts-Kombination am „Kesselchen“. Durch, voll auf die Kurve an der „Poststraße“ zu. Der TI driftet, halb querstehend, durch die lange Kurve. Die kurze, schnelle Anfahrt zum „Karussell“ folgt. Jetzt geht's ins Karussell hinein. Schalten, voll durch - raus. Dann wieder schalten, Vollgas, schalten, hinauf durch die S-Kurve zur „Hohen Acht“.

Achtung: nicht zu weit links in der langen Rechtskurve oben! Dann Gas, voll hinein in den „Wippermann“, verhalten durch die „Eschbach“-Kurven. Links, rechts querstehend jagt der TI durch die unübersichtlichen Kurvenkombinationen. Leicht abfallend geht es jetzt zum „Brünnchen“ hinunter. Der Wagen springt über die Kante hinaus und setzt erst fast ganz unten vor der Brücke auf. Hahne zwingt ihn durch die steil ansteigende Rechtskurve. Schalten, dann in schnellem „Drift“ durch die seifige, ekelhafte Linkskurve, jetzt Vollgas, mit allem Dampf geradeaus durch die schnellen Kurven am „Pflanzgarten“, wo es Peter Collins damals erwischt hat.

Hahne stellt den Wagen leicht schräg, als er in die schnelle Kurve am Ausgang des Pflanzgartens hineindriftet. - Vollgas! Durch die Kurven am Ausgang des Pflanzgartens geht er voll durch. Jetzt ist wieder das Rütteln da! Hinaus aus dem Wald ...

Da vorne stehen schon die Menschen am „Schwalbenschwanz“. Mit vollem Zahn geht Hahne durch die Brückenkurve vor dem Schwalbenschwanz, schaltet, stellt den Wagen schräg „an“, als er in die erste der beiden Linkskurven geht. Er berührt fast den Zaun, driftet dann in die überhöhte Kurve hinein. Die Zuschauer schreien auf ...

Er ist durch und jagt jetzt zum „Galgenkopf“ hinauf, durch die endlos lange Rechtskurve hinunter. Dann ist er auf der langen Geraden zu Start und Ziel. 190, 200, 220 km/h ... jetzt rüttelt die Steuerung wieder wie toll. Hahne umspannt das Steuer mit aller Kraft. Er schwitzt, so schlimm ist das ekelhafte Rütteln!

„Antoniusbuche“, hinauf zum „Tiergarten“. Da vorne ist schon der „Dunlop“-Turm, links die Tribünen. Hahne gibt Vollgas, jagt an den Tribünen vorbei und hört nicht, wie die Menschen aufschreien. Er überholt einen „Kleinen“, der die Zielgerade entlangkrebst, dann geht er wieder in die Südkurve, in die nächste Runde ...

Als Hahne aus der 4. Runde zurückkommt, weiß er nicht, warum die Zuschauer bei Start und Ziel aufgestanden sind, ihm zujubeln, schreien und winken. Er erfährt es erst, als er den Wagen an der Box abstellt.- Er hat in der 3. Runde einen neuen Rundenrekord gefahren - 9.58,5 Minuten!

Als erster Tourenwagenfahrer ist er unter die 10-Minuten-Grenze gekommen. Er ist heute der einzige, der unter 10 Minuten bleibt: In der letzten Runde fährt Herbert Schultze aus Berlin - mit fast leerem Tank - mit 10.00,1 die zweitbeste Rundenzeit des Tages.

Wie sich nachher herausstellt, sind an Hahnes Auto einige Auswuchtgewichte davongeflogen. Deshalb das Rütteln ...

Hahne selbst ist mit seiner „Traumrunde“ gar nicht so zufrieden, sondern eher verdutzt.

„Ich habe nicht geglaubt, daß ich so schnell bin! Nach der ersten Runde wollte ich den Wagen schon an die Boxen fahren. Bergauf ging er einfach nicht, und das Rütteln war kaum zu ertragen. Über 180 war er kaum noch zu fahren. Ich wollte aufhören ...“

Dann rechnet jemand aus, wie schnell Hahne war: Er fuhr 137,2 km/h Durchschnitt!

1954 hatte Juan Manuel Fangio, damals Automobil-Weltmeister, auf dem Nürburgring mit dem Mercedes-Rennwagen einen Schnitt von 133,2 km/h erreicht - mit einem Grand-Prix-Rennwagen!

Vier Wochen später findet die Zandvoort-Trophy statt, das vorletzte Rennen im Europapokal 1966. Jetzt ist Hubert Hahne auf der „Sieges-Bahn“. Er gewinnt das Rennen ganz klar und hat damit ebenfalls drei Siege zu verzeichnen - für sich und BMW. Allerdings siegt de Adamich auf dem Alfa in seiner Division ebenfalls und liegt damit weiter vorne.

Drei Wochen später gewinnt Hahne in Eigenthal in der Schweiz das letzte Rennen der Europapokal-Serie 1966: das Bergrennen von Eigenthal. Und damit ist er Europapokal-Sieger 1966 geworden ...

Zusammen mit Fiat-Abarth und Alfa Romeo gewinnt BMW den „Europapokal 1966“ in der Marken-Wertung.

Noch eine erfreuliche Nachricht gibt es für BMW, als man Ende 1966 alles zusammenzählt.- Josef Schnitzer ist Deutscher Tourenwagen-Meister 1966 - allerdings in totem Rennen mit Herbert Schultze, Berlin. Wie sich herausstellt, verlor Schnitzer die entscheidenden Punkte, die ihm am Alleinsieg fehlen, durch einen BMW-Fahrer: Bei der AvD-Trophäe war Schnitzer Dritter geworden, Zweiter in seiner Klasse. Erster war Hahne - bei seinem Traumrennen, und damit nahm er seinem Stallkameraden den entscheidenden 1. Platz.

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Quelle: Sieg in tausend Rennen - Die BMW-Story, von Winfried M. Schnitzler, Copress-Verlag, © 1967